Bild: Peter Handke bei seiner Nobelpreisrede in Stockholm.
Peter Handke wurde am 10. Dezember in Stockholm der Nobelpreis für Literatur überreicht. In den Medien wurde Handke stark in die Kritik genommen. Doch der Autor steht für eine sensible Haltung bei Fragen staatlicher Gewalt.
Sollte für die Verleihung des Nobelpreises für Literatur entscheidend sein, dass der Autor für Demokratie und Grundrechte aufrecht steht, so ist Peter Handke ein würdiger Träger der Auszeichnung. Es ist unvorstellbar, dass Peter Handke für ein Blutregime und einen Schreckensherrscher sich einsetzen möchte. Eine solche Vermutung entspricht keinesfalls dem Leben und Werk dieses Autors.
„Als es in Mode kam, sich mit Kreide Hakenkreuze auf die Handfläche zu zeichnen und damit Nichtsahnenden auf die Schulter zu klopfen, war ich meist der Beklopfte“, formulierte Peter Handke 1967 in „Ein autobiographischer Essay“.
Jetzt sollte Handke wieder zum „Beklopften“ werden. Wieder wurde Handke zu einem Beschuldigten. Doch stand er für das Gegenteil. Peter Handke ließ nie einen Zweifel, dass er staatliche Gewalt und Übergriffe der Polizei nicht duldet.
Handke kritisierte schon früh die Willkür der Justiz in seinem Essay „Die Tautologien der Justiz“, der erstmals im November 1969 erschien. Darin analysierte der Autor die janusköpfige Sprache der Gerichte. Peter Handke erkannte, dass bei Aussagen von Entlastungszeugen in der Regel mit „behauptet“ geurteilt wird, bei Aussagen von Beamten aber mit „durchaus glaubwürdig“ oder „klar und sicher“.
Bevor Peter Handke dafür kritisiert wird, dass er gegen eine extreme Serbenfeindlichkeit auftrat, die er in Österreich deutlich erfahren konnte, sollte mehr über die aktuelle Lage im Geburtsland von Handke gesprochen werden. Im Magazin Tabula Rasa erschien ein Essay zur Verleihung des Nobelpreises an Peter Handke, der einen Kontrapunkt zum Mainstream der deutschen Medien setzte:
Nobelpreis des Schmerzes
(Tabula Rasa Magazin, 7. 12. 2019)
Begegnung mit Polizisten
Die Stadt Salzburg, in der der spätere Nobelpreisträger noch in den achtziger Jahren leben wollte, verließ Handke, bestürzt durch einen Zwischenfall, von dem hier auch erzählt werden soll.
Damals, im Februar 1985, wurde Peter Handke in Salzburg auf offener Straße von Polizisten belästigt, als hätten sie auf den Autor bereits mit Ressentiment gewartet, das von ihnen schon zu lange in einer negativen Weise sublimiert wurde. Handke war gezwungen, ihnen zu erklären, sie erinnerten ihn an andere Zeiten:
„Ihr steht da vor mir mit euren Stiefeln wie Nazi-Bonzen”.
Der Dichter wurde in das Wachzimmer der Polizei mitgenommen und erhielt eine Strafanzeige. Es zeigte sich schon damals, dass es schwierig war, einen korrekten Bericht über den Vorfall in den österreichischen Medien zu bringen. Der zuständige Direktor im österreichischen Fernsehen ORF untersagte die Ausstrahlung eines Beitrages, in dem Peter Handke über seine Erfahrungen mit der österreichischen Polizei berichtete.
Im Nachrichtenmagazin profil, das in jener Zeit noch bemüht wirken wollte, konnte der Autor Handke die „obrigkeitliche Niedertracht und Menschenverachtung“ damals in die Öffentlichkeit bringen, am 25. März 1985, mit dem Titel „Eine andere Rede über Österreich“.
Serbischer Obsthändler
In Salzburg wirkt ein Obsthändler, in der Nähe des Kapuzinerbergs, der aus Serbien stammte. Seine Herkunft ist kaum jemand bekannt, doch gerne werden bei ihm die ausgezeichneten Früchte gekauft, die er wöchentlich auf seinen Reisen aus Italien holt.
Jetzt wurde Peter Handkes Apologie des serbischen Volkes angegriffen, für das er in den Zeiten des Balkankrieges, einfühlsame und verständnisvolle Worte fand. In seinem Essay „„Eine winterliche Reise zu den Flüssen Donau, Save, Morawa und Drina oder Gerechtigkeit für Serbien“, der erstmals 1996 erschien.
Es war ein Bericht, in sehr persönlich gehaltenem Ton, in dem Peter Handke bemüht war, seine Empfindungen zu ordnen, angesichts von Angst und Schrecken des Krieges. Die bemühte Suche nach Orientierung, mit der er „wenn nicht klar, so doch klarer“ werden wollte, erinnert fast an die Methode der écriture automatique von André Breton.
In seiner „winterlichen Reise“ nahm Handke den Ausgang bei seinem ersten Aufenthalt in Belgrad, rund 40 Jahre zuvor, damals für eine Lesung, kaum noch waren ihm die Plätze der Stadt in Erinnerung. Er erzählte von seinem Interesse für die Filme Emir Kusturicas, von seinen serbischen Bekannten, dazu zählte insbesondere der Übersetzer seines Werkes in die serbische Sprache, bevor er aufbricht in die Kriegsregion, die er gleich deutlich mit winterlicher Kühle vermittelte, zu einer persönlichen Spurensuche, mit Begegnungen, Beobachtungen, Erlebnissen.
Affirmativer Skandal
Handke wollte offensichtlich eine brutale Serbenfeindlichkeit, die oft aggressiv zum Ausdruck kam, nicht dulden. Fraglos ist Handke dabei auch die Zerstörungswut bewusst, die bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges an der Sirk Ecke, gleich neben der Staatsoper, in Wien tobte: „Serbien muss sterbien“ riefen sie. Und „Jeder Russ, ein Schuss“. Karl Kraus beschrieb diese Szenen eindrücklich in „Die letzten Tage der Menschheit“.
Mit der aktuellen Diskussion um den Autor Handke wird Literatur bekämpft, statt autoritärer Politik. Der Skandal, der Handke gemacht wird, ist deshalb ein affirmativer Skandal, der die wahren Verbrechen, die weiterhin täglich geschehen, verhüllt.
Empfohlene Beiträge:
Die Verfolgung der Publizistin Alexandra Bader
(Qolumnist, 18. 7. 2019)
Nobelpreis des Schmerzes
(Tabula Rasa Magazin, 7. 12. 2019)
© Autor: Johannes Schütz, 2019
Zum Autor:
Johannes Schütz bereitet eine Buchpublikation vor: „Die Enteigner: Der größte Skandal der Republik Österreich“. Johannes Schütz, Medienwissenschafter, Publizist, war Lehrbeauftragter an der Universität Wien (Informationbroking, Recherchetechniken, Medienkompetenz), Vorstand des Zentrums für Medienkompetenz, Projektleiter bei der Konzeption des Wiener Community-TV, investigative Publikationen (Justiz, EU).