Kurz destabilisiert die EU

Thema: Wahlen in Österreich (1).

Am Sonntag sind Wahlen in Österreich. Nochmals will Kurz die Kanzlerschaft. Das bedeutet eine Destabilisierung für die Europäische Union. In diesem Beitrag werden 5 Gründe genannt.


1. Realitätsverlust

Der österreichische Kanzler Kurz durfte im Juli 2018 die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen. Sechs Monate lang wollte er damit zu mehr Einfluss in der Europäischen Union kommen.

Eigentlich wäre die Aufgabe eines EU-Ratspräsidenten, dass er die Moderation der Themen übernimmt. Doch bei Sebastian Kurz tauchte schon mal die Phantasie auf, dass Kurz „alles alleine beschließen“ könne.

Seine „Neue Volkspartei“ fühlte sich gemüßigt, eine Erklärung abzugeben, die dieses aufsteigende Gefühl der Grandiosität mildern sollte:
„Klar sei auch, dass Österreich durch die Ratspräsidentschaft etwas mehr Einfluss zukommen würde als bisher. Trotzdem könne man nicht alles alleine beschließen und müsse den Konsens aller 28 Mitgliedsstaaten suchen“.
(Presseaussendung der ÖVP, 6. Juni 2018: www.oevp.at/Bundesregierung-in-Bruessel)

Demnach sollte bei den Entscheidungen des Ratspräsidenten weiterhin ein Konsens mit den anderen Staaten der Europäischen Union gesucht werden. Eine solche Haltung ist bei Sebastian Kurz keinesfalls eine Selbstverständlichkeit. Als Kurz die ÖVP übernahm wurde die totale Unterwerfung der bisherigen bürgerlichen Partei verlangt.

Der Spiegel berichtete: „Kurz stellt ÖVP Bedingungen für Übernahme von Parteivorsitz“. (Spiegel, 13. 5. 2017): Kurz forderte von der ÖVP „freie Hand bei der inhaltlichen Führung“. Weiters sollten bei der Wahl nur noch Personen aus seinem Freundeskreis kandidieren. Für die Listenerstellung wollte Kurz demnach ein „Durchgriffsrecht“, so die Erklärung in der österreichische Presseagentur (APA, 13. 5. 2017).

Christian Rainer, der Herausgeber des österreichischen Nachrichtenmagazins profil, geriet ob dieser Schamlosigkeit in Schwärmerei und schrieb für Sebastian Kurz euphorisch:

„dass die Volkspartei nun das einzig rational Fassbare tut: Sie muss Sebastian Kurz zum Parteiobmann machen, wenn nötig händeringend, wenn nötig auf den Knien flehend. Und die ÖVP muss das zu dessen Bedingungen tun: weil er sonst nicht zur Verfügung steht und weil weder Kurz noch die Partei ohne diese Bedingungen eine Lebenschance hat“.

Man konnte erkennen, dass Sebastian Kurz gerne der Europäischen Union dieselbe Forderung gestellt hätte, damit er den EU-Ratsvorsitz übernähme. Mit der Erkärung: „Dass die EU ohne diese Bedingungen keine Lebenschance hat“:


2. Konfrontation statt Moderation

Sebastian Kurz profilierte sich bevorzugt mit Kritik an der deutschen Bundeskanzlerin Merkel und an US-Präsident Trump. Kurz will damit den Eindruck vermitteln, dass er ein Nonkonformist sei. In einem Filmszenario ist eine gewisse Prise Nonkonformismus des Protagonisten eine Garantie, dass der Schauspieler eine erfolgreiche Rolle geschrieben bekommt. Dazu erhält Kurz noch eindrucksvolle Film Stills als Reklame.

Tatsächlich ist Kurz aber kein Nonkonformist, er dient vielmehr einer repressiven Politik, die der ehemaligen DDR-Bürgerrechtlerin Angela Merkel nicht einmal in ihren kühnsten Tagträumen mit Allmachtsphantasien zuzutrauen ist.

Im Oktober 2016 kritisierte Sebastian Kurz die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel für ihre Flüchtlingspolitik. Mit solchen Stellungnahmen wurde Kurz in den deutschen Medien populär. Kurz machte Kritik an Angela Merkel hoffähig. Die deutsche Bundeskanzlerin konnte seither nicht mehr in der gewohnten Weise agieren, da Medien unnötige Angriffe starteten.
Dazu erschien auf The European der Beitrag:

Macht Merkel Kurz zum Staatsmann (The European, 29. 1. 2018)

New York Times und Washington Post bezeichneten Kurz als österreichische Entsprechung zur deutschen AFD. Wobei Kurz den Ton für die Nemesis von Merkel anstimmen sollte:
„The German equivalent (von Sebastian Kurz) would be Ms. Merkel’s nemesis, the far-right Alternative for Germany“ (The New York Times, 6. Juni 2018).

Wenige Tage vor Beginn der Ratspräsidentschaft setzte Kurz seine Kritik an Merkel fort. Demnach hätte es Merkel mit ihrer Asylpolitik „verschuldet, dass es heute Grenzkontrollen gibt zwischen Österreich und Bayern“, erklärte Sebastian Kurz am 20. Juni 2018.

Auch US-Präsident Donald Trump geriet ins Visier von Sebastian Kurz. Er kritisierte im April, dass Trump Handelsbarrieren gegenüber der Volksrepublik China durchführen will. Dies in Zeiten, da die Volksrepublik China schwere Kriege vorbereitet. Auch mit ihren Satellitenstaaten. Beim Volkskongress im März 2018 erklärte Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping: „Wir sind entschlossen, den blutigen Kampf gegen unsere Feinde zu kämpfen“.

Wenn der Präsident der USA es für erforderlich hält, dass deshalb Maßnahmen gesetzt werden müssen, etwa durch Handelsrestriktionen, dann sollte ein seriöser

Regierungschef eines Mitgliedslandes der Europäischen Union den amerikanischen Präsidenten dafür nicht in die Kritik nehmen. Er soll sein Land auch nicht zu einem Vasallenstaat der Volksrepublik China machen, das chinesische Interessen auf der EUBühne artikuliert.


3. Pakt mit Peking

Kanzler Kurz kündigte an, dass er während der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft einen Schwerpunkt mit dem Thema China setzen möchte. Am 17. April erschien ein Interview mit Kurz unter dem Titel:
Österreichs EU-Präsidentschaft mit Schwerpunkt China“ (In: Euractiv, 17. 4. 2018).

Dazu erschien auf Huffington Post der Beitrag von Johannes Schütz:
Gui Me: Der österreichische Kanzler Kurz als heiratendes Mädchen in der Volksrepublik China“, Huffington Post, 19. 4. 2018.

Ein Schwerpunkt der EU-Ratspräsidentschaft hätte für die Ukraine angekündigt werden müssen. Für einen möglichst raschen Beitritt in die Europäische Union. Es wäre von wesentlicher Bedeutung gewesen, wenn die Republik Österreich im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft für die Ukraine sich eingesetzt hätte. Als Teil einer forcierten Mitteleuropapolitik, mit der Österreich bisher traditionell identifiziert wurde. Keinesfalls aber ein Einsatz für die Volksrepublik China.

Kurz beging einen bewussten Affront gegenüber den traditionellen Verbündeten in Nordamerika, indem er einer neuen Allianz mit der Volksrepublik China einen deutlich erkennbaren Vorzug gab. Dies obwohl die Nachbarländer der VR China seit Jahren von provokanten Grenzzwischenfällen betroffen sind, die die Chinesen setzten. Auch die Tibetfrage blieb weiterhin ungelöst.

Offenbar ging es darum, dass chinesische Positionen in der Politik der Europäischen Union stärker berücksichtigt werden sollten. Die Haltung von Kurz kam nicht überraschend. Schon im Regierungsprogramm, dass der neue österreichische Kanzler im Dezember 2017 präsentierte, wurde bezüglich der Volksrepublik China erklärt:

Besondere Berücksichtigung von neuen geopolitischen Gegebenheiten mit Fokus auf China bei der Erarbeitung einer außenpolitischen Strategie Österreichs
(Regierungsprogramm 2017 – 2022, S. 24).

Kurz ist auch eng befreundet mit der nordvietnamesischen Familie Ho, die in Wien sich ansiedeln durfte. Bei einer vietnamesischen Party am 9. November 2015, die von der vietnamesischen Botschaft in Wien als Feier zum 9/11 deklariert wurde, war auch der damalige österreichische Außenminister Kurz anwesend:
So macht Vietnam Politik mit dem österreichischen Kanzler Kurz
(Tabula Rasa Magazin, 26. 4.. 2018)


4. Flüchtlingspolitik

Bis zum Auftritt von Sebastian Kurz galt es in Europa als Konsens, dass Flüchtlingen aus Kriegsregionen humanitäre Hilfe und Aufnahme gegeben wird. Deutschland wollte in den vergangenen Jahren weiterhin positive Initiativen in der Flüchtlingspolitik setzen, die von internationaler Bedeutung sind.

Deutschland übernimmt Verantwortung dafür. Eine solche Aufnahme von Flüchtlingen muss selbstverständlich gut organisiert werden. Doch in Österreich zweifelt üblicherweise wohl niemand daran, dass Deutschland eine solche Organisation schafft.

Dann brachte die deutsche Tageszeitung „Welt“ am 2. Oktober 2016 den Titel:
Kurz übt scharfe Kritik an der deutschen Flüchtlingspolitik“.
Demnach „kritisiert Österreichs Außenminister Sebastian Kurz mit ungewöhnlich scharfen Worten die Bundesregierung. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte während des Flüchtlingsgipfels in Wien vor einer Woche angekündigt, dass Deutschland künftig mehrere Hundert Flüchtlinge pro Monat aus Griechenland und Italien aufnehmen werde. „Diese Politik ist falsch“, sagte Kurz“.

Das Regierungsprogramm von Sebastian Kurz zeigte dann im Dezember 2017 unverhohlen, dass Flüchtlinge aus Kriegsregionen brutal ausgeschaltet werden sollen. Es sollen demnach Antragstellern auf Asyl in Österreich ihre Gelder komplett abgenommen werden: „Abnahme von Bargeld bei Asylantragstellung“. (Regierungsprogramm 2017 –2022, S. 34).

Das ist eine Strategie, die man üblicherweise „aus dem Geld nehmen“ nennt. Damit wird für die Asylanten die weitere Finanzierung einer Fluchtbewegung unterbunden. Die Flüchtlingspolitik der Europäischen Union ist letztlich Teil einer internationalen Friedenspolitik. Mit dem Ansatz von Kurz wurden die Grundwerte der Europäischen Union angegriffen. Es handelt sich um Grundwerte, die von globaler Bedeutung sind.

Österreich kam wesentliche Bedeutung als Orientierung für mitteleuropäische Länder bei der EU-Osterweiterung zu. Dies beruht auf der traditionellen Rolle von Österreich in den Ländern Mitteleuropas, die bis in die Region Galizien reichte. Auch aktuell versucht Österreich, Einfluss in den Visegrád-Staaten (Ungarn, Tschechien, Slowakei, Polen) zu gewinnen. Mit der EU-Ratspräsidentschaft wird das nochmals forciert.


5. Verletzung des Eigentumsrechts

Verletzungen der Grundrechte belasten die nächste Ratspräsidentschaft in der EU. Die Verletzung des Eigentumsrechts in Österreich ist dokumentiert in tausenden Fällen. Dazu der Bericht auf Qolumnist:
EU-Charta der Grundrechte verletzt in Österreich
(Qolumnist, 10. 7. 2019)

Sachwalterschaften werden aus finanziellen Motiven eingeleitet und durch Beschlüsse der Gerichte gedeckt. Das bedeutet: Es werden Grundrechte der Charta der Europäischen Union verletzt. Betroffen sind insbesondere das Eigentumsrecht (Artikel 17) und die Achtung des Privatlebens und Familienlebens, der Wohnung und Kommunikation (Artikel 7).

Verstößt ein Mitgliedstaat dauerhaft gegen die Grundrechte der Charta der Europäischen Union, dann ermöglicht Art. 7 des EU-Vertrags von Lissabon strenge Konsequenzen.

Diese führen auch zum Entzug des Stimmrechts im Rat der Europäischen Union. Da das Stimmrecht im Rat der Europäischen Union bei Verletzungen von Grundrechten entzogen wird, hätte Österreich in der einer solchen Verfassung die EU-Ratspräsidentschaft gar nicht übertragen werden dürfen.


Wie es Kurz der EU zeigen will

Der erste Staatsbesuch des Kanzlers Kurz in Deutschland wurde in Österreich als Triumph gefeiert. So als hätte Kurz die historische Schlacht bei Kolin gewonnen. Am 17. Januar 2018 war Begeisterung in der Kronen-Zeitung: „Kurz-Festspiele in Deutschland: Berlin liegt unserem Kanzler zu Füßen“. Am 19. Januar dann am Cover der Krone: „Wie es Kurz den Deutschen zeigte“.

Wenn Kurz nochmals zum österreichischen Kanzler gemacht wird, so wird er auf solche Cover weiterhin Wert legen. Mit dem TiteL: „Wie es Kurz der EU zeigte“.


Empfohlene Beiträge:

Wartet auf Sebastian Kurz als neuem Bundeskanzler wieder ein Eklat
(Tabula Rasa Magazin, 26. 9. 2019)

So macht Vietnam Politik mit dem òsterreichischen Kanzler Kurz
(Tabula Rasa Magazin, 26. 4. 2018)

Kann Kurz wirklich Kanzler
(The European, 29. 1. 2018)

Österreich kann das Skandalland der Europäischen Union werden
(Tabula Rasa Magazin,  17. 11. 2017)

© Autor: Johannes Schütz, 2019

Erstveröffentlichung des Beitrags auf Huffington Post.
Aktualisierte und erweiterte Fassung:
Johannes Schütz: „5 Gründe, weshalb Sebastian Kurz die EU destabilisiert“,  in: Huffington Post, 29. 6. 2018.

Die Serie „Justizskandal in Österreich“ wird nach den Wahlen fortgesetzt.

Zum Autor:
Johannes Schütz bereitet eine Buchpublikation vor: „Die Enteigner: Der größte Skandal der Republik Österreich“. Johannes Schütz, Medienwissenschafter, Publizist, war Lehrbeauftragter an der Universität Wien (Informationbroking, Recherchetechniken, Medienkompetenz), Vorstand des Zentrums für Medienkompetenz, Projektleiter bei der Konzeption des Wiener Community-TV, investigative Publikationen (Justiz, EU).

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Johannes Schütz, Medienwissenschafter und Publizist, geboren in Österreich, lebt jetzt im Exil, war Lehrbeauftragter an der Universität Wien (Informationbroking, Recherchetechniken, Medienkompetenz), Vorstand des Zentrums für Medienkompetenz, Projektleiter bei der Konzeption des Wiener Community-TV, Projektleiter Twin-City-TV Wien-Bratislava, investigative Publikationen (Grundrechte, EU). Veröffentlichungen u. a. The European, Tabula Rasa. Johannes Schütz bereitet eine Buchpublikation vor: „Die Enteigner: Der größte Skandal der Republik Österreich". Homepage: www.journalist.tel www.tabularasamagazin.de/author/schuetz_johannes www.theeuropean.de/johannes-schuetz Kontakt: iinfo [at] communitytv.eu