Serie: Justizskandal in Österreich (3).
Die Dienstaufsicht deckt den Amtsmissbrauch in tausenden Fällen. Der Richterstand übernahm die Kontrolle im österreichischen Justizministerium.
Hinweise auf Amtsmissbrauch sollen im österreichischen Justizministerium von der Abteilung III 6 bearbeitet werden. Diese Abteilung ist dem Personalcontrolling gewidmet.
Oberstaatsanwältin MMag.a Ruth Straganz-Schröfl ist dort die Leiterin der sogenannten „Kompetenzstelle Personalcontrolling“. Sie bezeichnet diese Funktion in ihrem Schreiben selbst als „Dienstaufsicht über die Richterinnen und Richter“.
Doch gibt es in Österreich tausende Fälle von Verletzungen der Grundrechte, insbesondere des Eigentumsrechts. Dies wird auch bestätigt durch die jährlichen Berichte der österreichischen Volksanwaltschaft. Dazu erschien auf Qolumnist der Bericht:
EU-Charta der Grundrechte verletzt in Österreich (Qolumnist, 10. 7. 2019)
Attraktives Amt
Liesing ist ein Bezirk mit blühenden Gartensiedlungen und schönen Einfamilienhäusern. Eine der attraktivsten Wohngegenden Wiens. Unterhalb des Georgenbergs gelegen, auf dem die bekannte Kirche des österreichischen Bildhauers Fritz Wotruba errichtet wurde, die zu den wichtigsten sakralen Bauten des 20. Jahrhunderts zählt.
In Wien Liesing war Ruth Straganz-Schröfl die Leiterin des Bezirksgerichts. In dieser Funktion verantwortete sie Enteignungen durch die Methode Sachwalterschaft. Dann wurde Straganz-Schröfl zur Leiterin der Dienstaufsicht über die Richterinnen und Richter im österreichischen Justizministerium ernannt.
Dienstaufsicht deckt Amtsmissbrauch
Justizminister Brandstetter wurde über Amtsmissbrauch durch Richter und die Verletzung von Grundrechten informiert. Für den Justizminister antwortete Straganz-Schröfl von der Dienstaufsicht des Ministeriums am 6. November 2015:
„Der Herrn Bundesminister für Justiz hat ihr Schreiben vom 3. November 2015
erhalten und hat damit die zuständige Fachabteilung für Dienstaufsicht über dieRichterinnen und Richter befasst“.
Damit war die Anfrage bei der Dienstaufsicht über die Richter in Österreich angekommen. Doch die Antwort blieb ohne Ergebnis:
„Dazu muss ich Ihnen leider mitteilen, dass es wegen der Ihnen von der Verfassung garantierten Unabhängigkeit der Rechtsprechung den Organen der (Justiz-) Verwaltung, zu denen auch der Bundesminister für Justiz und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehören ausnahmslos untersagt ist, Entscheidungen der Gerichte inhaltlich zu prüfen, abzuändern oder auch nur zu kommentieren“.
(Ruth Straganz-Schröfl: Schreiben vom 6. 11. 2015).
Kommentar verboten
Demnach wäre es der Dienstaufsicht über die Richterinnen und Richter in Österreich untersagt, beim Verdacht auf Amtsmissbrauch und Korruption, eine Prüfung ernsthaft vorzunehmen. Die Dienstaufsicht soll bei solchen Vorfällen nicht in Erwägung ziehen, so wird ausdrücklich geschrieben: Amtsmissbrauch und Korruption „auch nur zu kommentieren“.
Da liegt wohl eine bewusste Verwechslung vor. Die Verfassung soll selbstverständlich die Korrektheit der Rechtssprechung sicherstellen. Und nicht eine Unabhängigkeit richterlicher Willkür ermöglichen.
Somit erfolgte von der Dienstaufsicht des Justizministeriums eine ernüchternde Anwort für alle, die zuvor noch an den Rechtsstaat in Österreich glaubten.
Richterin für Sachwalterschaften
Wer die Laufbahn von Ruth Straganz-Schröfl kennt, der ist über ihre Haltung keinesfalls erstaunt. Straganz-Schröfl war zuvor selbst eine sogenannte „Pflegschaftsrichterin“ am Bezirksgericht Wien-Liesing. Sie entschied in dieser Funktion über Enteignungen durch Sachwalterschaft.
Dazu zählen spektakuläre Fälle. Etwa Rosemarie Hödl. Sie hatte als Sachbearbeiterin im Bundesrechenamt Einblick in sensible Daten des Bundeshaushalts. Zeugenaussagen von Rosemarie Hödl sollten verhindert werden. Sie wurde deshalb unter Sachwalterschaft gestellt. Zur sicheren Diffamierung einer solchen Zeugenaussage wurde die Sachwalterschaft vom Gericht in Wien-Liesing im April 2009 um mehr als zehn Jahre rückdatiert.
Interessensvertretung des Richterstandes
Ruth Straganz-Schröfl wurde mit 1. Mai 2014 ernannt für die Planstelle einer Richterin des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien, die als gebunden für eine Verwendung im Bundesministerium für Justiz ausgeschrieben wurde.
Straganz-Schröfl war die einzige Bewerberin bei dieser Stellenausschreibung. Über den Besetzungsvorschlag entschieden u. a. Hofrätin Marlene Perschinka (Präsidentin des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien), Dr. Gerhard Jelinek (Präsident Oberlandesgericht Wien), Dr. Gabriele Fink-Hopf (Vizepräsidentin Oberlandesgericht Wien) und Mag. Julia Kainc (Justiz Ombudsstelle).
Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien, für das die Stelle einer Richterin ausgeschrieben wurde, ist das Rekursgericht bei Verfahren auf Sachwalterschaft. Dort wird über die Übernahme von Vermögenswerten entschieden. Es sind Fälle von willkürlicher Enteignung nachweislich belegt, die am Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien durchgeführt wurden. Eine solcher Fall wird in einem weiteren Beitrag in der Serie zum österreichischen Justizskandal noch dargestellt.
Korruption im Justizsystem verankert
Durch die Ausschreibung von Doppelfunktionen übernahmen die Richter die Kontrolle im österreichischen Bundesministerium für Justiz. Straganz-Schröfl sollte gleichzeitig als Richterin am Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien bestellt werden und im Bundesministerium für Justiz wirken.
Die Ausschreibung solcher Doppelfunktionen ist im österreichischen Justizapparat durchaus üblich. Das ist eine Hintertreppe im Justizsystem, die Amtsmissbrauch und Korruption ermöglichen soll, da die Richter die Kontrollfunktion selbst übernahmen.
Schlechte Optik
Mit 1. März 2016, also rund 4 Monate nach ihrem Schreiben, mit dem sie willkürliche Enteignungen deckte, wurde Straganz-Schröfl als Stellvertreterin der Leiterin der Oberstaatsanwaltschaft Wien bestellt. Ebenfalls gebunden für eine Verwendung im Bundesministerium für Justiz. Über die Besetzung entschied als Vorsitzende der Kommission die Leitende Oberstaatsanwältin Eva Marek.
Doch im Personalverzeichnis des Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz vom 1. April 2019 wird die Oberstaatsanwältin Ruth Straganz-Schröfl unverändert als Leiterin der „Kompetenzstelle Personalcontrolling“ genannt.
An der Funktion von Straganz-Schröfl änderte sich im Justizministerium nichts. Doch wollte man dort wohl verstecken, dass die Dienstaufsicht gleichzeitig für das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien tätig ist. Das war beim Schreiben von Straganz-Schröfl im November 2015 allerdings noch der Fall. Korrigiert wurde dieser Eindruck erst mit der Ernennung im März 2016, womit Straganz-Schröfl jetzt in der Darstellung der Oberstaatsanwaltschaft Wien zugeordnet wurde.
Interessensvertreterin des Richterstandes
Dazu kommt noch, dass Straganz-Schröfl in der Vereinigung der Österreichischen Richterinnen und Richter zu diesem Zeitpunkt die Vorsitzende der Fachgruppe Verfassungs- und Dienstrecht war. Die Vereinigung ist die Interessensvertretung der Richter. Deshalb zählt auch zu den deklarierten Zwecken der Fachgruppe: Die „Förderung der richterlichen Unabhängigkeit“.
Dafür veranstaltete Ruth Straganz-Schröfl Treffen mit den Gerichtsvorstehern, in denen ausdrücklich „alle Fragen der Dienstaufsicht und des Dienstrechts“ besprochen wurden.
Ruth Straganz-Schröfl war eine wichtige Person in der Interessensvertretung des Richterstandes. Jetzt agiert sie im Justizministerium, um dort als Oberstaatsanwältin die Dienstaufsicht über die österreichischen Richterinnen und Richter zu leiten. Amtsmissbrauch wird dabei verlässlich gedeckt.
Links:
Johannes Schütz deckt auf: Justizskandal in Österreich
Serie: Justizskandal Folge 1 (Qolumnist, 26. 8. 2019)
Investigation im österreichischen Justizministerium
Serie: Justizskandal Folge 2 (Qolumnist, 27. 8. 2019)
Abschied vom Rechtsstaat: Österreichische Volksanwaltschaft legte Jahresbericht für 2018 vor (Tabula Rasa Magazin 1. 5. 2019)
Österreich verletzt Grundrechte: Kritik an der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft ist berechtigt (The European, 26. 2. 2018)
© Autor: Johannes Schütz, 2019
Aktualisierte und erweiterte Fassung des Beitrages:
Johannes Schütz „In Österreich werden tausendfach Grundrechte verletzt – mit Unterstützung des Justizministeriums“, in: Huffington Post Deutschland, 6. 11. 2017.
Zum Autor:
Johannes Schütz bereitet eine Buchpublikation vor: „Die Enteigner: Der größte Skandal der Republik Österreich“. Johannes Schütz, Medienwissenschafter, Publizist, geboren in Österreich, lebt jetzt im Exil, war Lehrbeauftragter an der Universität Wien (Informationbroking, Recherchetechniken, Medienkompetenz), Vorstand des Zentrums für Medienkompetenz, Projektleiter bei der Konzeption des Wiener Community-TV, investigative Publikationen (Justiz, EU).
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