Hass im Netz

Justizministerin Alma Zadic und Sigi Maurer (Klubchefin der österreichischen Grünen ) präsentieren das Gesetz gegen Hass im Netz.
Justizministerin Alma Zadic (links) mit Sigi Maurer (Klubchefin der österreichischen Grünen)


Österreich will mit einem neuen Gesetz gegen „Hass im Netz“ vorgehen. Die Justizministerin präsentierte das Vorhaben. Jetzt soll die Europäische Kommission den Entwurf prüfen.

Der Name des Gesetzes lautet: „Hass-im-Netz-Bekämpfungs-Gesetz – HiNBG”.  Nach dem deutschen Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) und dem französischen „Loi Avia“ will Österreich das dritte Land  in der Europäischen Union werden, das deutlich gegen üble Sitten im Internet vorgeht.

In Österreich wurden dafür Anregungen beim deutschen Gesetz gesucht. Gemeinsam mit Deutschland sollen in Europa die Normen vorgegeben werden:
“Die deutsche Ratspräsidentschaft wird sich ebenfalls dem Schutz von „Hass im Netz“ widmen und das Thema auf europäischer Ebene weiter vorantreiben“, erklärte Justizministerin Zadić bei einer parlamentarischen Anfrage.

Das Gesetz kam bereits in die Kritik. Internet Service Providers Austria forderten für die Internetwirtschaft eine „ersatzlose Streichung“ der Verordnungen. Reporter ohne Grenzen Österreich und Amnesty International Österreich fürchteten einen Angriff auf die Pressefreiheit und Meinungsfreiheit.

Justizministerin Zadić sollte bei der parlamentarischen Anfrage auch Auskunft geben, ob ihr Ministerium eine Statistik zum Thema „Hass im Netz“ führt. Am 27. Juli musste Zadić gestehen, dass ihr Bundesministerium für Justiz keine eigene Statistik dazu erstellt.  Zadić hatte bis zur Beantwortung der Anfrage allerdings acht Wochen Zeit, um Maßnahmen zu setzen. Nämlich eine solche Statistik bei ihren Mitarbeitern in Auftrag zu geben. Trotz solcher Versäumnisse präsentierte Zadic das neue Gesetz am 3. September stolz in der Pressekonferenz..

Ein ausführlicher Beitrag erschien im Tabula Rasa Magazin:
Gesetz gegen Hass im Netz in der Kritik
(Tabula Rasa Magazin, 15. 9. 2020)


Zentrale Punkte des neuen Gesetzes:

Von Veränderungen betroffen sind das Bundesministerium für Justiz und die Plattformen im Internet.

Wird eine Einzelperson wegen ihrer ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit angegriffen, so gilt künftig der strafrechtliche Tatbestand der Verhetzung.

Auch bei nur einmaligen Tathandlungen soll ein Vorgehen mittels Strafgesetzbuch erfolgen.

Bisher gab es bei der Ausforschung der Täter von Hasspostings keine Unterstützung für die Opfer. Künftig sollen die Behörden die Täter ermitteln, wenn dies beim Landesgericht beantragt wird.

Im Falle eines Freispruchs oder einer Einstellung des Verfahrens musste bisher das Opfer die Prozesskosten bezahlen. Das neue Gesetz soll dieses Kostenrisiko beseitigen.

Wer durch ein Medium in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt wird, soll künftig eine höhere Schadenersatzsumme erhalten.

Das österreichische Justizministerium will künftig auf der Website ein Formular für Betroffene zur Verfügung stellen, mit dem beim zuständigen Bezirksgericht ein Unterlassungsantrag, ohne vorhergehende Verhandlung, bewirkt werden kann. Es soll damit eine rasche Löschung unerwünschter Postings ermöglicht werden.

Das Gesetz „ermächtigt“ das Justizministerium dieses Formblatt auf der Website zur Verfügung zu stellen. Eigentlich sollte ein solches Service eine Selbstverständlichkeit sein, so dass wohl von „verpflichtet das Bundesministeriulm für Justiz“ im Gesetz die Rede sein müsste.

Plattformen in der Pflicht

Bei systematischem Versagen einer Plattform gegen Hass im Netz drohen Geldbußen bis zu 10 Millionen Euro. Es wurde betont, dass es „empfindliche Geldbußen“ sein sollen.

Plattformen müssen eine ständig erreichbare und leicht handhabbare Meldemöglichkeit bieten, mit der ein Hassposting angezeigt werden kann. Ein gemeldetes Posting muss innerhalb von 24 Stunden von der Plattform gelöscht werden.  Sollte die Eindeutigkeit des strafbaren Inhalts nicht klar erkennbar sein, so kann die Frist auch verlängert werden und bis zu 7 Tage später erfolgen.

Bei Löschungen ist Einspruch bei einer behördlichen Beschwerdestelle der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH möglich.

Die Plattform muss einen Zustellungsbevollmächtigten als Ansprechperson für österreichische Behörden, Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger nennen.

Ersatzlose Streichung gefordert

Die Internet Service Providers  Austria protestierten gegen diese Regelungen und forderten für die Internetwirtschaft „eine ersatzlose Streichung“.

Reporter ohne Grenzen Österreich warnte vor einer Bedrohung der Pressefreiheit. Es wurde ein Vergleich mit den Regelungen im deutschen Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) hergestellt:
„Ähnlich problematische Ansätze wie schon jene in Frankreich und Deutschland könnten auch hier zu Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit führen“, warnte Rubina Möhring, die Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich.

Auf Anfrage betonte Rubina Möhring:: Die Notwendigkeit einer internationalen Regulierung rund um Themen wie Hassrede und Desinformation. Dabei muss der Schutz von Meinungs- und Pressefreiheit im Vordergrund stehen“.

Auch Amnesty International Österreich fürchtet um die Meinungsfreiheit.Es bestehe „die Gefahr, dass auch Inhalte gelöscht werden, die von der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt sind. Es muss für alle Menschen möglich sein, eine Meinung in eine Debatte einzubringen“,  kritisierte Amnesty International Österreich.

Europäische Kommission entscheidet

Auch Věra Jourová, die EU-Vizepräsidentin und Kommissarin für Werte und Transparenz, wünschte bereits im Juli, eine „paneuropäische Lösung“ für ein Gesetz zu „Hass im Netz“.  Die Europäische Kommission arbeitet derzeit am „Digital Services Act“, der klare Regeln für alle Mitgliedsstaaten der EU schaffen soll, um den „Hass im Netz“ unter Kontrolle zu bekommen.

Das österreichische Gesetz muss zuerst der Europäischen Kommission vorgelegt werden.  Die weitere Entscheidung über das österreichische Gesetz gegen „Hass im Netz“ soll bis zum 2. Dezember in Brüssel getroffen werden.

© Autor:  Johannes Schütz, 2020.

Zum Autor:
Johannes Schütz, ist Medienwissenschafter und Publizist,, war Lehrbeauftragter an der Universität Wien (Informationbroking, Recherchetechniken, Medienkompetenz), Vorstand des Zentrums für Medienkompetenz, Projektleiter bei der Konzeption des Wiener Community-TV, Projektleiter für ein Twin-City-TV Wien-Bratislava (in Zusammenarbeit mit dem Institut für Journalistik der Universität Bratislava), investigative Publikationen (Justiz, EU).
Johannes Schütz bereitet eine Buchpublikation vor: „Die Enteigner: Der größte Skandal der Republik Österreich“.
Kontakt: info [at] communitytv.eu

 

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Johannes Schütz, Medienwissenschafter und Publizist, geboren in Österreich, lebt jetzt im Exil, war Lehrbeauftragter an der Universität Wien (Informationbroking, Recherchetechniken, Medienkompetenz), Vorstand des Zentrums für Medienkompetenz, Projektleiter bei der Konzeption des Wiener Community-TV, Projektleiter Twin-City-TV Wien-Bratislava, investigative Publikationen (Grundrechte, EU). Veröffentlichungen u. a. The European, Tabula Rasa. Johannes Schütz bereitet eine Buchpublikation vor: „Die Enteigner: Der größte Skandal der Republik Österreich". Homepage: www.journalist.tel www.tabularasamagazin.de/author/schuetz_johannes www.theeuropean.de/johannes-schuetz Kontakt: iinfo [at] communitytv.eu