Schwerer Amtsmissbrauch im Bereich der österreichischen Justiz. Justizminister Brandstetter war dafür verantwortlich. Das Kabinett des Justizministers setzte keine Maßnahmen. Auch hochrangige Politiker scheiterten.
Wolfgang Brandstetter wurde im Dezember 2013 zum österreichischen Justizminister ernannt. Im Dezember 2017 musste Brandstetter das Amt verlassen, obwohl er in Medien deutlich bekundete, dass er weiter als Justizminister zur Verfügung stehen möchte.
Brandstetter wurde bereits 2015 deutlich über Verletzungen der Grundrechte durch die österreichischen Justizbehörden informiert. Im Mittelpunkt stand das Thema: Finanziell motivierte Enteignung durch die Methode Sachwalterschaft und Amtsmissbrauch im Bereich der Justiz. Es handelte sich um Verletzungen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.
Schreiben blieben unbeantwortet
Die diesbezüglichen Schreiben an das Kabinett des Bundesministers für Justiz wurden gar nicht oder nicht ausreichend beantwortet. Kabinettschef war bis März 2017 der Leitende Staatsanwalt Alexander Pirker. Er war gleichzeitig im Justizministerium zuständig für die Leitung der Abteilung III 2 (Budget). Pirker, der 1980 in Klagenfurt geboren wurde, zog sich aus dem Kabinett zurück.
Im März 2017 wurde Clemens-Wolfgang Niedrist der neue Kabinettschef. Niedrist, 1988 geboren, sammelte bis zu diesem Zeitpunkt insbesondere Erfahrungen als Obmann der Jungen ÖVP Wien-Leopoldstadt. Damit steht Niedrist in einem Naheverhältnis zu Sebastian Kurz, der bis zu seiner Bestellung zum Bundesparteiobmann im Juli 2017 die Junge ÖVP leitete.
Kein Kommentar erlaubt
Ein Schreiben wurde an die Abteilung I 1 weitergeleitet, die für Personenrecht in der Sektion Zivilrecht zuständig ist. Mag. Barbara Dünser-Rausch ist die Sachbearbeiterin, die am 31. Juli 2015 antwortete. Mag. Dünser-Rausch wurde als Richterin des Bezirksgerichts Meidling, gebunden für eine Verwendung im Bundesministerium für Justiz, mit 1. Dezember 2016 ernannt.
Zuvor war Dünser-Rausch Richterin am Bezirksgericht Liesing, wo sie ab August 2013 bestellt wurde und Richterin am Oberlandesgericht Wien, an dem sie Oktober 2012 begann.
Das Schreiben von Mag. Dünser-Rausch unterzeichnete Peter Barth, der Leiter der Abteilung. Peter Barth zeichnet „Für den Bundesminister“:
„Das Bundesministerium für Justiz ist auch nicht befugt, gerichtliche Entscheidungen zu überprüfen, aufzuheben oder abzuändern, in geregelte Verfahren einzugreifen oder diese auch nur zu kommentieren“.
Demnach wäre es dem Ministerium nicht erlaubt, Hinweise auf Amtsmissbrauch und Korruption im Bereich der Justiz: „Auch nur zu kommentieren“. Obwohl Abteilung III 6 mit der sogenannten „Kompetenzstelle Personalcontrolling“ die Dienstaufsicht über die Richterinnen und Richter wahrnehmen sollte. Weiters ist Abteilung III 9 des Justizministeriums, laut Stellenbeschreibung, der „Entgegennahme von justizinternen Missbrauchs- und Korruptionshinweisen“ gewidmet.
Peter Barth ist uns bereits bekannt. Als Leiter der Abteilung Zivilrecht des Bundesministeriums für Justiz. Wir berichteten über einen Schriftverkehr mit Barth. Es ging dabei um die Möglichkeit der Abwehr willkürlicher Enteignungen:
Eine simple Frage
(Qolumnist, 20. 9. 2019)
Ein Briefwechsel mit dem österreichischen Justizministerium über die Abwehr willkürlicher Enteignung
Kritischer Geist gefragt
Aufgrund der eklatanten Missstände im österreichischen Justizministerium wurde nach weitere Lösungen gesucht.
Erhard Busek, der ehemalige Vizekanzler der Republik Österreich, wurd um Vermittlung angefragt. Busek gilt als kritischer Geist in der bürgerlichen Partei der Republik Österreich. Er ist Experte für Mitteleuropa und setzte sich in der Epoche des Eisernen
Vorhangs für die Nachbarländer Österreichs auf der anderen Seite der Grenze ein. 2002 wurde Erhard Busek Sonderkoordinator des Stabilitätspakts für Südosteuropa. Er ist Vorstand des Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa in Wien (IDM). Weiters war er Präsident des Europäischen Forum Alpbach, das 1945 gegründet wurde, um die Leitlinien für das neue Österreich zu debattieren und zu entwickeln.
Erhard Busek wurde angefragt, ob er eine Vertrauensperson im Kabinett des Bundesministers für Justiz nennen kann, die als integer gilt. Damit Informationen über strafrechtlich relevante Tatbestände im Bereich der Justiz verlässlich beim Bundesminister für Justiz platziert werden können.
Busek empfahl in einem Schreiben am 2. November 2015 Bernadett Thaler:
„Betreffend Bundesministerium für Justiz empfehle ich Ihnen, Frau Bernadett THALER, MSc, Kabinett von Bundesminister Brandstetter, unter Hinweis auf meine Person. Sollten Sie keinen Erfolg haben, lassen Sie mich es wissen“.
Bernadett Thaler begann am 4. März 2013 im Kabinett des Bundesministeriums für Justiz und wurde am 1. April 2014 Stellvertretende Kabinettschefin. Bernadett Thaler, 1981 geboren, galt als Nachwuchshoffnung der ÖVP und trat auch als eine junge Bezirkspolitikerin auf. Sie kandidierte 2015 als Spitzenkandidatin im Bezirk Wien-Mariahilf. Zuvor war sie als Generalsekretärin der Jungen ÖVP tätig.
Kabinettschefin versetzt
Vermittelt durch den ehemaligen Vizekanzler Erhard Busek antwortete Bernadett Thaler zwei Tage später am 4. November 2015:
„Ich bin nicht mehr im Bundesministerium für Justiz tätig und habe mir daher erlaubt, Ihre Anfrage an meine Kollegen zur weiteren Bearbeitung zu übermitteln“.
Bernadett Thaler zeichnete dieses Schreiben bereits mit:
„Stv. Kabinettschefin, Bundesministerium für Familien und Jugend“.
An diesem Tag schien Bernadett Thaler allerdings noch auf der Homepage des Bundesministeriums für Justiz als Stellvertretende Kabinettschefin im Kabinett des Justizministers auf. Wie auch an den zwei Tagen zuvor. Auf der Homepage des Justizministeriums gab es zum Zeitpunkt des Schreibens von Bernadett Thaler noch keine Änderungen.
Erhard Busek wurde über das Ergebnis informiert, wie von ihm ausdrücklich erwünscht. Er fragte in der Folge persönlich beim Bundesminister für Justiz über die Vorfälle an. Der ehemalige Vizekanzler Busek berichtete in einem Email am 17. November 2015 über das Ergebnis:
„Vom Büro von Herrn Bundesminister Brandstetter habe ich die Information erhalten, dass er hier leider nichts machen kann“.
Der neue Vizekanzler
Die zuständige Stelle im Bundeskanzleramt und das Kabinett des Sozialministeriums geben an, dass Hinweise auf strafrechtlich relevante Tatbestände im Bereich der Justiz, die zu Verletzungen der Grundrechte führen, an das Bundesministerium für Justiz weitergeleitet werden. Es liegt dazu keine Antwort des Justizministeriums vor.
Auch der damalige Vizekanzler und Bundesminister für Wissenschaft und Wirtschaft Reinhold Mitterlehner wurde über Vorfälle im Bereich der Justiz informiert und diesbezüglich angefragt. Er antwortete am 13. August 2015:
„Es ist mir als Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft aufgrund der Bundesverfassung verwehrt in einem derartigen Rechtsbereich tätig zu werden. Ich werde deshalb Ihre Sachverhaltsdarstellung an den dafür zuständigen Bundesminister für Justiz weiterleiten“.
Es liegt dazu keine weitere Antwort vor. Reinhold Mitterlehner trat als Vizekanzler, Bundesminister und Bundesparteiobmann der ÖVP im Mai 2017 zurück. Am 17. Mai 2017 wurde Justizminister Brandstetter auch zum Vizekanzler der Republik Österreich ernannt.
Brandstetter musste dann die Position des Justizministers im Dezember 2017 aufgeben. Doch inzwischen gewann Brandstetter wieder Terrain. Brandstetter wurde im Februar 2018 von der neuen Regierung Kurz zum Verfassungsrichter ernannt.
Auch in der Europäischen Union soll Brandstetter den Ton vorgeben. Es gelang Brandstetter im März 2018 zum “Sonderberater der Europäischen Kommission” ernannt zu werden. In dieser Funktion soll Brandstetter die Qualität der Justizsysteme in Europa und die Rechtsstaatlichkeit beurteilen.
Dies zum Zeitpunkt da von der Europäischen Union Artikel 7 Verfahren gegen Polen und Ungarn eingeleitet wurden, um die Verletzung von Grundrechten in diesen Ländern abzustellen. Brandstetter soll diese Verfahren nach Artikel 7 wohl beschwichtigen oder blockieren. Brandstetter kann nur diese Aufgabe erfüllen da er als ehemaliger Justizminister der Republik Österreich ebenfalls für eklatante Verletzungen der Grundrechte verantwortlich ist.
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